Ängste, drohende OP-Verschiebungen, Ungeimpfte

Risiken für Krebserkrankte in der Pandemie

Vorsorge und Früherkennungsuntersuchungen sollten auf jeden Fall wahrgenommen werden. Bei Beschwerden sollte unbedingt der Haus- oder Facharzt aufgesucht werden. Das Ansteckungsrisiko in Praxis und Klinik (Personal komplett geimpft und regelmäßig getestet) ist minimal.

In der ersten Pandemiewelle zwischen April und Oktober 2020 wurden 17% weniger Darmkrebs-Operationen und 10% weniger Eingriffe bei Brustkrebs durchgeführt (Quelle: AOK). Aus Angst vor Ansteckung haben viele Menschen Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen nicht wahrgenommen und bei Beschwerden wahrscheinlich auch nicht oder erst zu spät den Arzt aufgesucht.

Genaue Daten über die möglichen negativen Folgen für die Heilung von Krebspatient*innen mit pandemiebedingter verspäteter Diagnose gibt es bisher noch nicht. Jedoch gehen britische Hochrechnungen von ca. 5000- 11 000 zusätzlichen Todesfällen allein in England aus.

Dr. Steffen Wagner

1.Vorsitzender der Saarländischen Krebsgesellschaft und niedergelassener Gynäko-Onkologe

Dr. Steffen Wagner, 1.Vorsitzender der Saarländischen Krebsgesellschaft und niedergelassener Gynäko-Onkologe, berichtet: „In unserer Praxis beobachten wir beispielsweise erheblich mehr Frauen mit großen bis sehr großen Brusttumoren. Einige berichten, schon seit vielen Monaten etwas gespürt zu haben, sich aber nicht zum Frauenarzt oder zur Mammographievorsorge getraut zu haben. Bei vielen Betroffenen kann der Krebs dann nur noch durch eine komplette Brustabnahme entfernt werden oder hat in vielen Fällen bereits in den Körper gestreut.“

Drohende Triage könnte Krebspatient*innen treffen

Glücklicherweise gibt es im Saarland noch keinen triagebedingten Engpass für dringende, lebensrettende Tumoroperationen – dies ist jedoch zukünftig nicht auszuschließen.

„Die Ungeimpften sollten auch an die Krebspatienten denken, die unter aktiver Erkrankung ein besonders hohes Risiko für einen schweren COVID-Verlauf tragen. Zudem besteht die Gefahr, daß durch die vermehrte Krankenhaus- und Intensivbehandlung Ungeimpfter, bald wichtige Operationen verschoben werden könnten, wie es beispielsweise in Bayern schon der Fall ist.“, so Dr. Wagner weiter.

Krebspatientinnen und -patienten sollten unbedingt bevorzugt Boosterimpfungen erhalten (aktuell 5-6 Monate nach der 2. Impfung). Dies gilt besonders für solche mit aktiven Tumorerkrankungen und/oder laufenden Therapien.

Krebsbetroffene, die beispielsweise eine Chemotherapie erhalten, sind besonders gefährdet, dass eine Covid-Erkrankung einen schweren Verlauf nimmt. Die Impfung kann und muss auch gerade dann erfolgen. Während einer Krebserkrankung kann es sogar sein, dass eine frühere Boosterimpfung (bereits ab 4 Wochen nach der Zweitimpfung) erforderlich ist.

Es sollte immer mit einem m-RNA-Impfstoff aufgefrischt werden und gerade nach einer einmaligen Impfung Janssen/Johnson&Johnson sollte unmittelbar eine Auffrischung mit m-RNA-Impfstoff erfolgen (auch vor 5-6 Monaten).

Das gleiche gilt auch für Familienangehörige und Kontaktpersonen.

Ungeimpfte: Im Gespräch bleiben und sachliche Information erfolgversprechend

Laut Dr. Wagner finden sich auch in seiner onkologischen Schwerpunktpraxis immer wieder ungeimpfte Menschen, die wegen Krebs behandelt werden müssen. Das ist für Ärzte und Pflegepersonal problematisch, z.B. wenn es darum geht, krebserkrankte Ungeimpfte neben geimpften Patient*innen beispielsweise während der Chemotherapie zu platzieren – trotz einem aktuellen negativem COVID Test. Erfahrungsgemäß können bei vielen Ungeimpften Ängste und Unsicherheiten durch ein sachliches Gespräch ausgeräumt werden und eine Impfbereitschaft hergestellt werden.

Psychoonkologische Beratung immer wichtiger

Die Saarländische Krebsgesellschaft hat 2021 bereits in knapp 3000 Terminen Krebsbetroffene bzw. Angehörige beraten, das sind ca. 50% mehr als im Jahr 2020. Neben den persönlichen Beratungsterminen werden auch Telefon- und Videoberatungen von vielen Patient*innen und Angehörigen gut angenommen.

„Gerade in der Pandemiesituation kann die psychologische Betreuung viele Ängste und Unsicherheiten infolge einer Krebserkrankung auffangen und die Lebenssituation verbessern“ sagt Sabine Rubai, Geschäftsführerin der Saarländischen Krebsgesellschaft: „Wir sind weiter für alle Betroffenen da. Wir bieten unsere psychoonkologischen und psychosozialen Beratungen auch kontaktlos per Telefon oder Videoanruf an, in manchen Situationen kann das eine persönliche Beratung aber nicht ersetzen. In unseren Beratungsstellen halten wir deshalb ein strenges Hygienekonzept ein.“

Sabine Rubai

Geschäftsführerin der Saarländischen Krebsgesellschaft